Subversives Potential von NFT-Technologie?
Der schlechte Ruf und der bittere Beigeschmack, den NFTs mit sich bringen, wird unter anderem durch die Sicherheitslücken, die misstrauisch werden lassen, sowie die zahlreichen Berichte von Scams, Betrugsfällen und Investitionsbubbles verursacht. Hinzu kommt, dass nahezu jedes Gespräch, jede Recherche und jedes Buch auf die Verbindung von NFTs und Kapitalgenerierung hinausläuft.
Der Ansatz dieser Recherche war es innerhalb der kapitalistischen Rahmensetzung von NFTs nach Möglichkeiten für Tanz zu suchen und zu fragen, welche Chancen und welche Veränderungen die Produktion für das Mittel Tanz und für Tanzschaffende bedeuten könnte. Doch währenddessen hat sich auch die Frage aufgetan, ob sich hier vielleicht weiteres Potential für eine Nutzung in Arbeitsprozessen der darstellenden Künste verbirgt.
Meine ersten Gedanken drehten sich alle um das Strukturieren von kollektiven Arbeitsprozessen durch die Blockchain.
Als Beispiele für Organisationen, die sich auf Blockchain oder ähnliche Technologien beziehen, existieren zahlreiche DAOs, Dezentralisierte Autonome Organisationen. Das sind Unternehmen ohne zentrale Leitung, ihr Regelwerk wird in einem Code festgehalten, alle Transaktionen, Entscheidungen und Abläufe werden über die Blockchain oder andere DLTs geregelt. DAOs organisieren sich oft um gemeinsam große Investitionen zu tätigen, sind also häufig im Investmentfeld zu finden.
Allerdings könnten solche Strukturen auch für transparente Abläufe, Einhaltung eines fixierten Regelwerks und für demokratische Entscheidungsfindungen innerhalb von Gruppen und Organisationen aus anderen Bereichen, wie der darstellenden Kunst benutzt werden.
Die Aufteilung eines Fördertopfs an verschiedene Gruppen und Künstler*innen und wiederum deren Aufteilung in Personal- und Sachkosten könnte, wenn alle Transaktionen auf einer Blockchain gespeichert wären, genau nachvollzogen und offen gelegt werden und den Diskurs um Finanzierung und faire Bezahlung bereichern.
Die Ausschüttung von Gewinn könnte wie im Beispiel von Imogen Heap auf alle bezogen werden, die zu unterschiedlichen Momenten im Projekt involviert waren. Durch die Angabe von investierter Arbeitszeit, Kompetenzbereichen und Investition von Eigenkapital oder erhaltenen Förderungen könnte eine exakten Verteilung von Stimmrechtsanteilen bei Entscheidungsprozessen oder Honoraren berechnet werden, die dann automatisch zugeteilt werden. Solidarische Konzepte wie das Teilen von Honorar, Förderung und Arbeitsräumen könnten damit fair und transparent strukturiert werden. Solidarischer Ticketverkauf, Unterstützung von Künstler*innen, deren Arbeit man schätzt, alles könnte über eine neue Technologie schnell und ohne langwierige Transaktionsprozesse organisiert sein.
Welche Möglichkeiten würde das für Arbeitsprozesse in großen kollektiv arbeitenden Gruppen bieten? Wie könnte dieser Ansatz vielleicht auch auf das Gestalten von Performances mit einbezogen werden?
Doch im Gespräch mit Expert*innen hat sich diese utopische Perspektive als eine sehr optimistische und technisch-idealisierende Version der Möglichkeiten herausgestellt. Denn mit weniger technischen Kenntnissen unterschätzt man schnell die praktischen Probleme der Anwendung. Oft gibt es Fehler und Anfälligkeiten, die erst entdeckt werden, wenn die Befehle und Abläufe bereits ausgeführt wurden. Denn Code ist unerbittlich: was darin steht, passiert.
Und an wen wendet man sich wenn so ein Fehler darin geschrieben wurde? Wer überwacht die Code Schreibenden? Welche Gesetze greifen? Wer kann die Sicherheit hundertprozentig einschätzen, gerade wenn größere Summen oder sensible Daten im Spiel sind?
In Gesprächen und der Recherche über die Blockchain und andere DLTs kam die Frage auf, ob all diese aufgeführten möglichen Anwendungsbereiche, nicht auch auf andere Art umgesetzt werden könnten. Mehr Transparenz, solidarischere Konzepte, faire Bezahlung, klar strukturierte Arbeitsbeziehungen und Dezentralisierung: ist all das wirklich nur durch eine neue Technologie zu erreichen? Könnten wir nicht durch bereits existierende und für Kunstschaffende viel leichter zugängliche und durchdringbare Mittel dieses Konzept (zumindest ansatzweise) umsetzen? Haben wir es überhaupt schon richtig versucht? Der Weg mit einer neuen Technologie auch neue Arbeitsstrukturen einzuleiten, ist verführerisch, aber vielleicht gar nicht zwingend notwendig. Ich denke, dass neben den technischen Aspekten auch die Philosophie, die hinter der aktuellen Euphorie über die Möglichkeiten der Technik steckt, inspirieren kann.
Ich kann mir kein abschließendes Urteil über das weiterführende Potential der Blockchain bilden. Dennoch hat mich der Blick auf die potentiellen Möglichkeiten bereichert.
Diese Recherche ist darum vor allem ein erster Ansatz und eine Ermutigung sich mit dem Thema zu beschäftigen, mit Menschen ins Gespräch zu kommen und sich neuen technischen Möglichkeiten offen gegenüber zu positionieren, auch wenn das nicht bedeutet problematischere Aspekte auszusparen. Ob die Inspiration und die Fruchtbarkeit dann aus den konkreten technischen Möglichkeiten für die eigene Arbeit stammen, aus einer etwas genaueren Idee, was in der Welt um uns herum für Entwicklungen stattfinden, oder aus einem philosophischen Ideal der Tech-Bubble schöpfen, darf dabei offen bleiben.